Mittwoch, 19. Oktober 2011

100 Jahre Holstein-Kiel-Stadion

Am 15. Oktober jährte sich zum 100. Mal der Eröffnungstag des KSV-Stadions. Eine Arena, die alle Höhen und Tiefen der Störche miterlebt hat. Nachstehend ein Artikel aus meiner Feder für "Nordsport"

Tradition ist ein wertvolles Gut. Dummerweise kann man sich von ihr nichts kaufen, weshalb sie manchmal zu einem Klotz am Bein wird. So auch in Kiel. Seit exakt 100 Jahren trägt die KSV Holstein ihre Fußballspiele am Mühlenweg aus. Das Holstein-Stadion gehört damit zu den ältesten Fußballarenen im Lande. Dennoch stand es der Entwicklung der KSV-Fußballer bisweilen arg im Weg und kollidierte wiederholt mit den Auflagen des Fußballverbandes. Erst seit 2006 kommt es wieder als Schmuckkästchen daher, das hoffentlich bald den höherklassigen Fußball zu sehen bekommt, für den es eingerichtet wurde.
Höherklassigen Fußball strebten die Störche auch 1911 an, als die Ursprünge der Sportanlage gelegt wurden. In nur fünf Monate errichtete man eine moderne Anlage, die am 15. Oktober mit einem freundschaftlichen Vergleich gegen den Ex-Klub von Holstein-Kapitän Willy Zincke, Preussen Berlin, eingeweiht wurde.
Im Norden der boomenden Fördestadt entstand eine vorbildliche Spielstätte. Schmuckstück war die 200 Plätze bietende hölzerne Sitzplatztribüne, die in ähnlicher Art bis heute auf dem Kilia-Platz zu finden ist. Finanziert wurde der Bau mittels unverzinslicher Schuldscheine sowie Darlehn durch die Holstein-Familie, deren Wohlstand den Störchen das Attribut eines „Lackschuhvereins“ eingebracht hatte. Ein erfolgreicher Verein, der 1910 Deutscher Vizemeister und 1912 sogar Deutscher Meister wurde. Das spiegelte sich auch am Mühlenweg wider, wo bereits 1913 ein aus Vereinsmitteln finanzierter B-Platz eröffnet werden konnte.
Der damalige Zuschauerzuspruch war enorm. Holsteins Erfolgswelle ließ den Störchen die Herzen der Kieler Fußballfans in Scharen zufliegen. Obwohl die Erfolg weniger wurden, hielt der Boom nach dem Ersten Weltkrieg an, und bald erwies sich die KSV-Stätte sogar als zu klein für den unablässig wachsenden Zuspruch.
1921 ging das bis dato städtische Stadiongelände in Vereinsbesitz über, und als im selben Jahr eine Windhose das Tribünendach abräumte, entschloss man sich zu einem Neubau. Auf der heutigen Gegengerade entstand eine 420 Plätze bietende Sitzplatztribüne, die am 6. August 1922 mit einem freundschaftlichen 3:0 über Stadtrivale Kilia eingeweiht wurde. 8.000 Menschen passten nun in das Areal, und als die SpVgg Fürth 1923 zu einem Freundschaftsspiel an die Förde reiste, meldete man erstmals „ausverkauft“.
Vier Jahre ruhten die Schubkarren, ehe die KSV-Mitglieder abermals die Ärmel hochkrempelten. Die KSV war inzwischen zu einem prosperierenden Großverein avanciert. Unter Anleitung von Otto Stocks wurde das Spielfeld um 25 Meter nach Nordosten verschoben, um Raum für leichtathletische Anlagen zu schaffen. Die Tribüne stand dadurch zwar plötzlich auf Höhe des Strafraums, doch zwölf Stufen auf der heutigen Haupttribünenseite sowie jeweils sechs Stufen in den beiden Kurven erhöhten das Fassungsvermögen auf eindrucksvolle 15.000 Plätze. 1943 quetschten sich den Überlieferungen zufolge beim Endrundenspiel gegen Schalke 04 sogar 18.000 Fans in die KSV-Heimat.
Nach dem Krieg lag die Störche-Arena in Trümmern. Mühsam richtete man die Gebäude notdürftig wieder her, ehe 1950 unter der Präsidentschaft von Hermann Langness Nägel mit Köpfen gemacht wurden. Die von Addi Hoff entworfene neue Tribüne bot nicht nur 1.020 Sitzplätze, sondern verfügte auch über einen Klubraum, Umkleidekabinen und eine Platzwartwohnung in ihrem Bauch. Eingeweiht wurde sie am 28. Juni 1950 mit einem 2:2 im Freundschaftsspiel gegen Schalke 04. Langness hoffte seinerzeit übrigens, dass die Anlage, „wenn nicht kriegerische Ereignisse eintreten, wovor wir bewahrt bleiben mögen, die nächsten 100 Jahre überdauern wird“.
61 Jahre später steht sie zumindest noch und hat viel erlebt in der Zwischenzeit. Bis zu 30.000 Zuschauer konnten in Spitzenzeiten im weiten Rund Platz nehmen, und als die KSV 1965 ans Tor zur Bundesliga klopfte, wurden gar Pläne für eine Ausweitung auf 38.000 Plätze diskutiert. Doch nachdem die Störche das Oberhaus verpasst hatten und im Mittelmaß versanken, war das Stadion bald viel zu groß. 1973 erwarb die Stadt das inzwischen ziemlich marode Gelände zurück und rettete die KSV damit vor dem Finanzcrash. Mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga-Nord kam es 1975 zu ein paar Renovierungsmaßnahmen, doch als sich die KSV nach der Millenniumswende zu neuen sportlichen Höhenflügen aufschwang, erwies sich die Spielstätte als Hemmschuh. Im März 2000 wurden mit Ausnahme der Haupttribünenseite alle Stadionbereiche gesperrt, und die Störche spielten fortan vor einer bizarren Kulisse auf.
Nachdem sich die Neubaupläne an anderer Stelle zerschlagen hatten, drohte Holstein 2006 sogar die Rote Karte vom DFB. Für 1,8 Mio. Euro entstanden daraufhin hinter dem Westtor und auf der Gegengerade neue Tribünen, die das altehrwürdige Areal schlagartig in ein Schmuckkästchen verwandelte. 2009 flossen weitere vier Mio. Euro in den Umbau sowie den Bau eines Nachwuchs-Leistungszentrum in Projensdorf.

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