Freitag, 10. Februar 2012

Sambia im Finale der Afrikameisterschaft

Sambia und die Elfenbeinküste stehen sich am Sonntagabend im Finale um die Afrikameisterschaft gegenüber. Vor allem für Sambia ist dies ein schöner und durchaus auch überraschender Erfolg. Die Fußballgeschichte des Landes hat viele Höhen und einige sehr triste Tiefen. Mehr dazu im nachstehend geposteten Artikel über Sambia aus dem zweiten Band der Weltfußballenzyklopädie: Afrika, Amerika und Ozeanien (http://www.hardy-gruene.de/buecher/weltenzyklopaedie.htm).





Am Tag, als das Team starb
Die Nacht vom 27. auf den 28. April 1993 ist wie ein Fanal in die Geschichte des sambischen Fußballs gebrannt. Seinerzeit verunglückte das Flugzeug mit der sambischen Nationalmannschaft auf dem Weg zu einem WM-Qualifikationsspiel im Senegal und riss eine Mannschaft in den Tod, die sich große Hoffnungen auf das WM-Turnier in den USA gemacht hatte. Sambia hatte in jener schicksalsreichen Nacht sogar noch »Glück«, denn seine in Europa spielenden Legionäre waren gar nicht an Bord der Unglücksmaschine. Dennoch saß der Schock natürlich tief, zumal Sambias hastig zusammengestellte Notauswahl anschließend mit einem 0:1 in Marokko aus dem Rennen um einen WM-Platz ausschied.

Sambia, das frühere Nordrhodesien, liegt im zentralen südlichen Afrika und ist ein von Gebirgen dominiertes Binnenland, das überwiegend von den Ethnien der Bemba, Nyanja, Tonga und der Nordwest-Gruppe bewohnt ist. Die Forschungsreisen des legendären britischen Arztes und Missionars David Livingstone rückten die Region Mitte des 19. Jahrhunderts ins Blickfeld der europäischen Kolonialmächte. Nach der Entdeckung größerer Kupfervorräte durch den britisch-südafrikanischen Kolonialisten Cecil Rhodes wurde die Region ab 1889 allmählich von der britischen Krone einverleibt, ehe 1923 die Kolonie Nordrhodesien entstand. Während der lukrative Kupferabbau den weißen Kolonialherren volle Taschen bescherte, brachten die am Aufschwung nicht beteiligten afrikanischen Bergwerksarbeiter ihren Unmut 1935 und 1940 in zwei Streikwellen zum Ausdruck.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bildete sich eine schwarzafrikanische Widerstandsbewegung, woraufhin Nordrhodesien 1953 gegen den vehementen Widerstand der einheimischen Bevölkerung mit Südrhodesien (heute Simbabwe) und Njassaland (heute Malawi) in der von Weißen dominierten Zentralafrikanischen Föderation zusammengefasst wurde. Ab 1958 verstärkte der charismatische Unabhängigkeitskämpfer Kenneth Kaunda seine Bemühungen, woraufhin es 1962 zur ersten afrikanischen Regierungsbildung kam. Am 24. Oktober 1964 wurde das Land dann als Sambia in die Unabhängigkeit entlassen.

Regierungschef Kaunda lenkte es anschließend mit einem »Sambischen Humanismus« auf sozialistischen Kurs und verstaatlichte die Schlüsselindustrien bzw. enteignete die britischen Großgrundbesitzer. Zugleich etablierte er einen Einparteienstaat, der bis in die 1970er Jahre dank der hohen Einnahmen aus dem Kupferabbau florierte. Die Entwicklung im benachbarten Südrhodesien (heute Simbabwe), das sich 1965 unter einer weißen Apartheidsregierung einseitig für unabhängig erklärt hatte und von den schwarzafrikanischen Regierungen der Region boykottiert wurde, hatte Sambias Wirtschaft bereits empfindlich geschwächt, als der Absturz des Kupferpreises das Land 1975 in eine wirtschaftliche Dauerkrise stürzte. Missmanagement, Korruption und die einseitig ausgerichtete Schwerindustrie ließen den einstigen Musterknaben zu einem Bittsteller um Weltwirtschaftshilfe werden.

Die damit verbundenen sozialen Einschnitte führten zu Protesten gegen Alleinherrscher Kaunda, der schließlich 1991 bei den ersten freien Wahlen vom Gewerkschaftsführer Frederick Chiluba abgelöst wurde. Dessen liberale Wirtschaftspolitik zeigte jedoch nur wenig Wirkung, und Mitte der 1990er Jahre kam es im gesamten Staatsgebiet zu Unruhen. Während Staatschef Chiluba die Veruntreuung von Staatsgeldern vorgeworfen wurde, geriet Sambia an den Rand eines Bürgerkriegs und durchlitt eine Hungerkatastrophe. Wenngleich sich die Situation inzwischen beruhigt hat, leben gegenwärtig mehr als 70 Prozent der etwa 11,5 Mio. Einwohner unterhalb der Armutsgrenze.

Die Geschichte des Fußballs in Nordrhodesien bzw. Sambia reicht zurück bis in das Jahr 1922, als in Broken Hill (heute Kabwe) ein Stadtverband entstand. Federführend waren britische Eisenbahn- und Bergwerkstechniker sowie Siedler aus Südafrika. Sieben Jahre später formierte sich die Northern Rhodesia Football Association (NRFA), der ausnahmslos weiße Kolonialisten angehörten und die sich dementsprechend der englischen FA anschloss. Während die NRFA vor allem in der Landesmitte bzw. dem Süden aktiv war (neben Broken Hill zählten Livingstone und Lusaka zu ihren Hochburgen), formierte sich 1932 in der nahe der Grenze zu Belgisch-Kongo (heute DR Kongo) gelegenen Kupferminenregion mit der Copperbelt African Football Association (CAFA) ein weiterer Dachverband.

1946 schickte Nordrhodesien erstmals eine (weiße) Landesauswahl aufs Feld, die Südrhodesien mit 0:4 unterlag. Nach Bildung der Zentralafrikanischen Föderation kam es 1961 zur Einrichtung der kurzlebigen »Professional Rhodesia and Nyasaland Football League«, an der sich auch eine Mannschaft aus Lusaka beteiligte.

Mit Beginn des Freiheitskampfes nach dem Zweiten Weltkrieg drängten zunehmend Einheimische in die Fußballstrukturen. Die bereits vor dem Krieg gegründete (schwarze) Northern Rhodesia African Football Association (NRAFA) installierte zunächst zwei regionale Spielklassen für afrikanische Fußballer, ehe sie 1960 in der »weißen« NRFA aufging, die daraufhin zu einer für alle Hautfarben offenen Organisation wurde. Damit einher ging ein völliger Umbruch der nationalen Fußballgemeinde. Während viele der britischen Traditionsvereine aufgelöst wurden, entstanden landesweit afrikanische Klubs. Darunter war der 1955 als Rhokana United gebildete heutige Rekordmeister Nkana FC, der in der Kupfermetropole Kitwe ansässig ist. Auch der erste Meister der 1962 eingerichteten Nationalliga, Roan United Luanshya sowie der die 1960er Jahre beherrschende Klub Mufulira Wanderers stammten aus der im Nordosten gelegenen Industrieregion, in der seinerzeit das Fußballherz des Landes schlug.

Nachdem Sambia 1964 in die Unabhängigkeit entlassen worden war, übernahm die Football Association of Zambia (FAZ) die Führung. Sie trat noch im selben Jahr der CAF und der FIFA bei, ehe sie am 4. Juli 1964 mit einem 1:0 gegen Tansania die internationale Bühne betrat. Sambias Auswahlteam um Mufulira-Wanderers-Kapitän Samuel Ndhlovu erhielt seinerzeit den Namen des fußballbegeisterten Staatspräsidenten Kenneth Kaunde und wurde »KK XI« genannt – »Kenneth Kaunda-Elf«.

Dank des wirtschaftlichen Höhenfluges Sambias vermochte sich der Fußball prächtig zu entwickeln. Vor allem im Kupfergürtel des Nordens erreichte das Spiel eine enorme Bedeutung, zumal die staatseigene »Zambia Consolidated Copper Mines Ltd« (ZCCM) die dortigen Klubs massiv unterstützte und ihnen quasi einen Profibetrieb ermöglichte. Städte wie N’Dola, Kitwe, Mafulira und Luanshya galten seinerzeit als Fußball-Hochburgen, die auch die von den Regionalmeistern ausgespielte Nationalmeisterschaft dominierten. Einziges Team, das mit den Mannschaften aus der Kupfergürtelregion mithalten konnte, war die in Lusaka ansässige Armeeauswahl Zambia Army.

International vermochte Sambia rasch auf sich aufmerksam zu machen. 1970 nahm die »KK XI« erstmals an der Afrikameisterschaft sowie der WM-Qualifikation teil, während der 1971 nach Lusaka gekommene Jugoslawe Ante Buselić eine solide Grundlage für zukünftige Erfolge legte. 1974 qualifizierte sich die Auswahl um das gefürchtete Angriffsduo Bernard »Bomber« Chanda und Simon »Kaodi« Kaushi erstmals für die Afrikameisterschaft und drang in Ägypten bis ins Finale vor, das sie erst im Wiederholungsspiel gegen den späteren WM-Teilnehmer Zaïre verlor.

Nachdem Erfolgstrainer Buselić 1976 aus dem Amt geschieden war, kam es zu einem kurzzeitigen Leistungsrückgang, ehe Sambia 1982 erneut das Halbfinale um die Kontinentalmeisterschaft erreichte und dort an Gastgeber Libyen scheiterte. Mit Alex Chola und Peter Kaumba standen seinerzeit abermals zwei Ausnahmestürmer zur Verfügung, während Phiri und Njovu ein gefürchtetes offensives Mittelfeldduo bildeten. Obwohl Chola und Kaumba anschließend als Profis in die Elfenbeinküste wechselten, bestätigte die von Brightwell Banda betreute Landesauswahl mit Siegen über Kamerun (WM-Qualifikation 1986) und Nigeria (Afrikameisterschaft 1986) ihre sportliche Wettbewerbsfähigkeit.

Auch auf Klubebene zählte Sambia seinerzeit zu den erfolgreichsten Nationen auf dem Kontinent. 1982 erreichten die von Bill McGarry trainierten Power Dynamos aus der Industriestadt Kitwe sogar das Finale des afrikanischen Pokalsiegerwettbewerbs, in dem sie 1981 sowie 1986 bereits bis ins Viertelfinale vorgedrungen waren. Die Nkana Red Devils unterlagen unterdessen 1990 im Finale um die Kontinentalmeisterschaft dem algerischen Meister JS Kabylie erst im Elfmeterschießen. Zwischen 1983 und 1989 erreichten die bisweilen vom Briten Jeff Butler trainierten »Kalampa« (»Roten«) insgesamt fünfmal das Halbfinale der Kontinentalmeisterschaft.

Sambias »KK XI« erklomm 1988 beim olympischen Fußballturnier in Seoul ihren legendären Höhepunkt, als ihr unter Trainer Samuel »Zoom« Ndlovu ein sagenumwobener 4:0-Sieg über Italien gelang. Es war der erste große Erfolg einer afrikanischen Mannschaft über ein europäisches Spitzenteam. Erst im Viertelfinale konnte die deutsche Olympiaauswahl um Jürgen Klinsmann den Höhenflug der Afrikaner stoppen. Kopf der Erfolgself war Kalusha Bwalya, dem gegen Italien ein Hattrick gelungen war und der 1988 zu Afrikas Fußballer des Jahres gewählt wurde.

Bwalya war fest eingeplant für das am 28. April 1993 terminierte WM-Qualifikationsspiel im Senegal, das den sambischen Fußball so tief erschüttern sollte. Weil der seinerzeit in Eindhoven spielende Nationalelfkapitän beim vorhergehenden Qualifikationsspiel in Mauritius nicht benötigt wurde, reiste er ebenso wie die in Belgien bzw. der Schweiz spielenden Charles Musonda und Johnstone Bwalya direkt aus Europa an. Die drei entgingen dadurch dem Schicksal jener 18 sambischen Nationalspieler, die am Morgen des 28. April vor der Küste Gabuns den Tod fanden, als ihr Flugzeug nach einem Zwischenstopp in Libreville ins Meer stürzte.

Nachdem der erste Schock über die Tragödie, deren Umstände übrigens nie aufgeklärt wurden, überwunden war, breitete sich in Sambia eine »Jetzt-erst-recht«-Stimmung aus. Um die drei Europalegionäre wurde eine neue Auswahl geformt, die zwar durch ein 0:1 in Marokko die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 1994 verpasste, dafür aber im Frühjahr 1994 das Finale um die Afrikameisterschaft in Tunesien erreichte (1:2 gegen Nigeria). Zwei Jahre später wurde die seit der Ablösung von Staatspräsident Kaunda »Chipolopolo« (»Gewehrkugel«) genannte Auswahl bei der Kontinentalmeisterschaft in Südafrika Dritter. Die Fußballwelt war beeindruckt, mit welcher Leichtigkeit das kleine Sambia den Verlust seiner 18 Auswahlspieler kompensierte.

1998 holte das Ereignis das Land ein. Zunächst scheiterte die Auswahl um Veteran Bwalya in der WM-Qualifikation, ehe sie bei der Afrikameisterschaft in Burkina Faso Schiffbruch erlitt und überraschend bereits in der Vorrunde ausschied. Nach dem 0:4 gegen Ägypten wurde Trainer Burkhard Ziese noch während des Turniers gefeuert. Anschließend stürzte Sambia in eine nicht enden wollende Fußballkrise. Plötzlich entführten selbst Fußball-Zwerge wie Lesotho, Malawi, Ruanda, Madagaskar und Swaziland Punkte aus dem sambischen Nationalstadion, in dem die »Chipolopolo« 14 Jahre lang nicht verloren hatten, rutschte Sambia in der FIFA-Weltrangliste bis auf Rang 80 (Mai 2004) ab.

Die Gründe waren zwar zum Großteil in dem Flugzeugabsturz zu finden, der einer ganzen Generation sambischer Ausnahmefußballer das Leben geraubt hatte, lagen andererseits aber auch in den ökonomischen und strukturellen Problemen des Landes. Hinzu kam der übliche afrikanische Fußballmix aus Inkompetenz, Missmanagement, Korruption und Selbstsucht, der den Nationalverband schon seit den 1970er Jahren zunehmend destabilisiert hatte. Seit 1975 hatte kein Verbandsvorstand mehr seine volle Amtszeit überstanden, und die wiederholten Eingriffe sambischer Politiker in die Verbandsgeschäfte waren von der FIFA 1998 erstmals mit einer Suspendierungsdrohung belegt worden. Ständige Trainerwechsel, der zunehmende Exodus von jungen Talenten nach Europa sowie der unaufhaltsame Verfall der nationalen Fußball-Infrastruktur beschleunigten den Niedergang in den 1990er Jahren noch. Als 1992 zudem die staatseigene »Zambia Consolidated Copper Mines Ltd« (ZCCM), die Sambias Fußball über Jahrzehnte finanziert hatte, privatisiert wurde, fehlten dem nationalen Fußball weitere Finanzmittel.

Der allgemeine Niedergang nahm rasch eine bedrohliche Eigendynamik an. Klubs wie Nkana Red Revils, Mufulira Wanderers und Kabwe Warriors, die einst zu den stärksten in Afrika gehört hatten, verschwanden aus der kontinentalen Elite. Nach dem Ende des Apartheidregimes in Südafrika kam es zu einer Massenflucht sambischer Fußballer in das aufstrebende Nachbarland. Selbst in den armen Nachbarländern Tansania, Simbabwe und Botswana fanden sambische Fußballer plötzlich bessere Arbeitsmöglichkeiten als in der Heimat. Der Tiefpunkt wurde 1999 erreicht, als der Nationalverband FAZ zum zweiten Mal nach 1988 die Ausrichtung einer Afrikameisterschaft (2002) zurückgeben musste, weil man wirtschaftlich nicht zur Ausrichtung in der Lage war. 2004 verpasste das Land erstmals nach 14 Jahren die Afrikameisterschaft.

Die gegenwärtigen Perspektiven sind bescheiden. 2008 erreichten die »Chipolopolo« zwar zum 13. Mal seit 1974 die Endrunde um die Afrikameisterschaft, doch wie schon 2006 musste sich das Team um die Deutschlandprofis Moses Sichone und Andrew Sinkala auch in Ghana bereits in der Vorrunde geschlagen geben. Die leeren Kassen des Nationalverbandes und die maroden Infrastrukturen lassen wenig Hoffnung auf eine Genesung aufkommen. 2008 musste mit dem Mosic-Cup sogar der älteste Fußballwettbewerb Sambias eingestellt werden, nachdem sich Sponsor »Zambia Breweries« zurückgezogen hatte.

Es sind keine guten Tage für Sambias Fußball.

1 Kommentar:

  1. Bin seit 1988 Zambia-Fan und trauerte lange um die tolle Mannschaft von 88/92. Heute ist ein Feiertag für mich !!!
    Zambia ist Afrikameister. Schade nur, daß die abgestürzten "Helden" das Ereignis nur vom Himmel aus erleben durften. Es lebe der sambische Fußball und Kalusha Bwaliya, einer der größten Fußballer, die Afrika je hervorgebracht hat !!!

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