Samstag, 22. Februar 2014

Alle Tassen im Schrank? AJ Auxerre


Auxerre – das stand für viele Jahre symbolisch für die Möglichkeiten, die ein kleiner Klub aus einer kleinen Stadt hat, wenn die Mischung stimmt und an den entscheidenden Positionen visionäre Leute sitzen. Im Falle der Association de la Jeunesse (AJ) Auxerre war das natürlich in erster Linie der unvergleichliche Guy Roux, der unglaubliche 44 Jahre als Trainer im Stade de l’Abbé-Deschamps arbeitete. Als Roux 1961 im Alter von nur 23 Jahren nach Auxerre kam, kickte der Verein in der Division d‘Honneur. Als er 2005 das Traineramt niederlegte, war er einmal Landesmeister und viermal Pokalsieger geworden und hatte sich in ganz Europa einen Namen gemacht. Eine erstaunliche Leistung für den Klub aus der kleinen Provinzstadt im Burgund, die auf 35.000 Einwohner kommt und ein äußerst sehenswertes Zentrum aufweist.

Die AJ Auxerre entstand am 29. Dezember 1905, als Pfarrer Deschamps (nach dem später das Stadion benannt wurde) eine Fußballmannschaft aufbaute. Es ging um Jugendarbeit und um Glauben bzw. Kirche, weshalb AJA zunächst dem katholischen Fußballverband FGSPF beitrat und 1908 dessen Landesfinale erreichte. Über Jahrzehnte kickte Auxerre fröhlich im unterklassigen Fußball und zeigte wenig Ambitionen in Richtung Profifußball. Das änderte sich erst, als Guy Roux 1961 das Traineramt übernahm. 1970 glückte der Sprung in die 3. Liga, dem schon 1974 erstmals der in die zweite Liga folgte. Als Auxerre 1980 gar in die höchste Spielklasse aufstieg, dachten alle, es wäre ein kurzes Vergnügen und die Provinzelf würde rasch wieder absteigen. Tatsächlich aber währte die Erstligaperiode der Blau-Weißen eindrucksvolle 32 Jahre.

1979 hatte Auxerre mit dem Einzug ins Pokalfinale (1:4 nach Verlängerung gegen Nantes) erstmals landesweit Schlagzeilen geschrieben. Die goldene Epoche der Burgunder aber waren die 1990er: 1993 die wohl auch hierzulande unvergessenen dramatischen Halbfinalspiele im UEFA-Pokal gegen Borussia Dortmund. 1994 wurde AJA dann erstmals Pokalsieger, holte 1996 das Double aus Meisterschaft und Pokal und erreichte 1997 das Viertelfinale in der Champions League. Das kleine Auxerre war der Hecht im Karpfenteich der großen Teams in Europa. Doch auch für Auxerre schnürten große Namen die Fußballstiefel! Allen voran Eric Cantona, der von 1981 bis 1988 in Auxerre spielte und aus der AJA-Jugendakademie stammt. Andere Namen sind Andrzej Szarmach Joel Bats, Frank Verlaat, Laurent Blanc, der frühere Guingampais Stéphane Guivarc’h, Taribo West oder Djibril Cissé – Guy Roux gelang es immer wieder, Juwele zu entdecken und sie in Topspieler zu verwandeln. Nicht umsonst galt Auxerres Nachwuchsschule über Jahrzehnte als eine der besten Frankreichs, was auch die regelmäßigen Verluste von Leistungsträgern an besser zahlende Konkurrenten ausglich.

Nach den beiden Pokalsiegen 2003 und 2005 neigte sich die Ära allmählich ihrem Ende zu. 2005 legte der gesundheitlich angeschlagene Guy Roux das Traineramt nieder, und ohne seinen Übervater geriet AJA rasch vom Kurs ab. Nachdem die Blau-Weißen schon ein paarmal mit dem Abstieg geflirtet hatten, war es 2012 soweit. Seitdem versucht man, sich in der 2. Liga allmählich zu stabilisieren.

Ich habe den Weg des Vereins stets mit einem gewissen Wohlwollen verfolgt, denn freche Underdogs wie Auxerre sind mir sympathisch. Zudem empfand ich die Atmosphäre im Stade l’Abbé-Deschamps stets als sehr angenehm. Erstmals besuchte ich die Spielstätte Ende der 1980er, als der Fußball noch ein gewisse Unschuld aufwies und vor allem in einem Provinzstädtchen wie Auxerre die Welt noch „heile“ war. Zweimal war ich später mit Guingamp vor Ort, und zwischen den beiden ja gar nicht so unähnlichen Vereinen hat sich über die Jahre auch eine Fanfreundschaft entwickelt, die von beiden Seiten mit Leidenschaft gehegt und gepflegt wird.

Dass AJA nach dem Abstieg 2012 nicht wie befürchtet in die Drittklassigkeit durchgereicht wurde, freute mich zwar, eine Rückkehr in die höchste Spielklasse kann ich derzeit aber auch nicht erkennen. Die Ära der AJ Auxerre scheint beendet zu sein. Frage ist nur, ob vorerst oder für immer.

1 Kommentar:

  1. Toller Beitrag, ich war damals beim EL-Spiel zwischen AJA und Dortmund im Stadion!!! Das war pure Dramatik!

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